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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Olching

Erbschein

Der Erbschein ist ein durch das Nachlassgericht ausgestelltes Dokument, das den Erben gegenüber allen Dritten, also beispielsweise Banken, Grundbuchämtern, Gläubigern und Schuldnern des Nachlasses, legitimiert und es ihm ermöglicht, über den Nachlass zu verfügen.

 

Wenn sich keine Immobilien im Nachlass befinden, kann, wenn die Regelungen im Testament vollkommen eindeutig sind, auf einen Erbschein verzichtet werden. Falls sich Immobilien im Nachlass befinden, ist, wenn ein handschriftliches Testament vorliegt oder gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, die Vorlage eines Erbscheins zwingend erforderlich, damit die Umschreibung des Eigentums an der Immobilie im Grundbuch erfolgen kann. Darüber hinaus können im Erbscheinsverfahren auch Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Testaments oder über die Beteiligung der Erben am Nachlass geklärt werden.

 

Wichtig ist es, bereits zu Beginn des Erbscheinsverfahrens gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht juristisch zu begründen, weshalb ein Testament wirksam bzw. unwirksam ist und welche Auslegung des Testaments dem Erbschein zugrunde gelegt werden soll.

 

 

Beispiel:

Johann und Sieglinde Gruber aus München sind miteinander verheiratet. Aus erster Ehe hat Johann zwei Kinder, Fabian und Michael. Sieglinde hat als einzige Verwandte mehrere entfernte Cousinen, mit denen loser telefonischer Kontakt besteht. Johanns Vermögen besteht aus einem Einfamilienhaus in Dachau. Sieglinde ist Eigentümerin einer Wohnung  in Starnberg und eines Mehrfamilienhauses in München. Sie verfassen folgendes gemeinschaftliches Testament:

 

"Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Die Kinder von Johann erhalten als Vermächtnis die Wohnung in Starnberg."

 

Als Johann verstirbt, wird Sieglinde in Erfüllung des Testaments seine Alleinerbin. Wenige Jahre später stirbt Sieglinde. Es ergibt sich jetzt das Problem, dass die Einsetzung von Johann als Alleinerben nach Sieglinde ins Leere läuft, weil Johann bereits vorverstorben ist.

 

Der Rechtsanwalt von Fabian und Michael stellt beim zuständigen Nachlassgericht München den Antrag, einen Erbschein zu erteilen, der Fabian und Michael je zur Hälfte als Erben nach Sieglinde ausweist. Die Schwierigkeit hierbei ist, dass Fabian und Michael in dem Testament nicht als Erben nach Sieglinde vorgesehen sind, sondern lediglich als Vermächtnisnehmer hinsichtlich der Wohnung in Starnberg. Der Rechtsanwalt argumentiert, dass die von Sieglinde vorgesehene Erbeinsetzung ihres Mannes ins Leere geht, weil dieser vorverstorben ist. Er führt weiter aus, dass Sieglinde, wenn sie den Fall des Vorversterbens ihres Mannes vorausgeahnt hätte, Fabian und Michael zu ihren Erben eingesetzt hätte. Zur Begründung verweist der Rechtsanwalt darauf, dass das Verhältnis von Sieglinde zu Fabian und Michael in den vergangenen Jahrzehnten stets sehr gut und eng war und dass Fabian und Michael immerhin als Vermächtnisnehmer in dem Testament erwähnt werden. Er weist ferner darauf hin, dass der Kontakt von Sieglinde zu ihren Cousinen nur sehr lose war und daher nicht davon auszugehen ist, dass es dem Willen von Sieglinde entsprechen würde, wenn ihre Cousinen sie nunmehr im Wege der gesetzlichen Erbfolge beerben würden.

 

Das Nachlassgericht wird der Argumentation des Rechtsanwalts folgen und Fabian und Michael als Erben berufen, obwohl sie in dem Testament nicht ausdrücklich als Erben benannt sind.

 

Man unterscheidet verschiedene Arten von Erbscheinen:

Es gibt Vollerbscheine, Teil-Erbscheine und Mindest-Teil-Erbscheine.

In einem Vollerbschein werden sämtliche Erben mit Namen und Adresse ausgewiesen.

In einem Teil-Erbschein werden nur einzelne Erben mit ihren jeweiligen Erbquoten ausgewiesen.

Ein Mindest-Teil-Erbschein wird erteilt, wenn die Erbquoten noch nicht endgültig feststehen.

 

Im Regelfall wird die Beantragung eines Vollerbscheins der richtige Weg sein. Es gibt jedoch auch Konstellationen, in denen es – schon aus Kostengründen – sinnvoller ist, (zunächst) nur einen Teil-Erbschein oder Mindest-Teil-Erbschein zu beantragen.

 

 

Beispiel:

Max Müller erhält vom zuständigen Nachlassgericht die Nachricht, dass sein Onkel Eduard ohne Hinterlassung eines Testaments verstorben ist. Nach Auskunft des Nachlassgerichts steht fest, dass Eduard einen weiteren Großneffen, Thomas, hatte. Außerdem hält es das Nachlassgericht für möglich, dass eine weitere Großnichte namens Maria noch lebt. Es ist aber unklar, ob dies tatsächlich der Fall ist oder ob Maria nicht bereits verstorben ist. Das letzte Lebenszeichen von Maria ist eine Postkarte aus Paraguay aus dem Jahr 1987, mit der sie mitteilte, dort ein neues Leben beginnen zu wollen.

 

Wenn Maria noch lebt, wäre Max in Höhe von einem Drittel am Nachlass beteiligt. Falls Maria ohne Hinterlassung von Abkömmlingen bereits verstorben ist, würde ihm die Hälfte zustehen. Da es Max obliegt, zu ermitteln, ob Maria noch lebt bzw. ob sie unter Hinterlassung von Abkömmlingen bereits verstorben ist, möchte er die mit der Ermittlung dieser Tatsachen verbundenen Kosten und Mühen nur auf sich nehmen, wenn sich dies wirtschaftlich lohnt. Sein Rechtsanwalt beantragt daher beim Nachlassgericht, ihm einen Mindest-Teil-Erbschein zu erteilen, der Max als (Mindest-)Erben zu einem Drittel ausweist. Mithilfe dieses Erbscheins kann Max nunmehr Ermittlungen über das Vermögen seines Onkels anstellen, beispielsweise Auskünfte von Grundbuchämtern und Banken einholen. Falls sich herausstellt, dass die Erbschaft werthaltig ist und Max im weiteren Verlauf durch seine Ermittlungen herausfindet, dass Maria tatsächlich bereits verstorben ist, kann er immer noch einen Vollerbschein beantragen, der ihn als Erben zur Hälfte ausweist.

 

 

Weitere Informationen zum Erbscheinsverfahren finden Sie hier.

 

Bei Fällen mit Auslandsbezug kann alternativ zum Erbschein auch die Erteilung eines europäischen Nachlasszeugnisses in Betracht kommen. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.

 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Markus Sebastian Rainer berät und vertritt Sie umfassend im Erbscheinsverfahren.

 

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